Die schöne neue Welt ist grün, da sind sich viele Mobilitätsliebhaber sicher. Nicht nur wegen idealistischer Motive, sondern weil sich die Welt der Mobilität tatsächlich immer weiter gen “E“ dreht. Dabei dürfen bestimmte Faktoren aber nicht übersehen werden: die „echte“ Ökobilanz der E-Mobilität und die Vielseitigkeit, mit der sie mehr als nur eine Branche auf den Kopf stellen wird.
Wer sich auf und über die Umweltfreundlichkeit der E-Mobilität freut, muss Stand heute noch akzeptieren, dass weder die Herstellung der Autos noch der verbrauchte Strom für die Fahrten vollständig umweltfreundlich sind – von den Materialien und Schwermetallen in den Batterien ganz zu schweigen. Das ist das Resultat einer Studie des ADAC, die die „echte“ Ökobilanz der verschiedenen Antriebe untersuchen sollte und auch Faktoren wie die Herstellung mit einberechnet hat.
Der Untersuchung zufolge spielt die Fahrzeugklasse eine entscheidende Rolle bei der ökologischen Ressourceneffizienz: Der mit Strommix hergestellte und betriebene Kleinwagen hat bei einer Laufzeit von 150.000 Kilometern die bessere Öko-Bilanz, wenngleich der Abstand zu Benziner und Diesel recht gering ist. Richtig deutlich wird es erst, wenn ausschließlich regenerative Energien eingesetzt werden – mit nur noch 64 g CO2 pro Kilometer. Was sich jedoch nicht lohnt, ist, einen E-Kleinwagen als Zweitwagen zu nutzen – setzt man statt 150.000 Kilometer nur eine Lebensspanne von 50.000 Kilometern an, bleibt die Ökobilanz der E-Motoren immer vergleichbar mit Benzinern und Dieselautos – auch hinsichtlich der verursachten Kosten.
Aktuell haben Kleinwägen als Zweitwagen im Vergleich zu Benzinern und Diesel keinen Vorteil
„Bei den großen Autos zeigt der Diesel mit 33.000 kg CO2 nach 150.000 km (= 219 g CO2/km) die mit Abstand beste CO2-Bilanz. Das Elektroauto (277 g CO2 pro Kilometer) schneidet wegen der großen Batterie (mehr CO2 bei der Produktion) und dem hohen Stromverbrauch schlechter ab. Erst mit Nutzung von 100 Prozent regenerativem Strom wäre die Bilanz besser“, liest sich das Ergebnis des ADAC für Wagen der oberen Mittelklasse. Vielleicht ein wenig überraschend für Verfechter der grünen E-Mobilität – aber immerhin mit einem positiven Ausblick auf die Zukunft, sobald regenerative Energien in der kompletten Wertschöpfungskette eingesetzt werden (können).
Um Strom aus regenerativen Quellen einsetzen zu können, bedarf es noch weiterer Forschung. Ausgangsproblem ist folgendes: Mit Sonne wird tagsüber viel Energie gewonnen, nachts jedoch keine. Damit wird sehr unregelmäßig Strom ins Grid eingespeist. So entstehen Schwankungen in der Versorgung und das, obwohl sie möglichst kontinuierlich ablaufen soll. Ein Dilemma hinsichtlich eines stabil zuliefernden Zwischenspeichers deutet sich an. An der Hochschule Emden beschäftigt sich Prof. Steinigeweg mit Wasserelektrolyse, um dieses Problem zu lösen und das gleich in einer größeren Dimension – ins Netz der Stadt Emden soll der Strom fließen und so ein öffentliches Stromnetz möglichst stabil unterstützen. Mehr dazu auf den Seiten 12f.
Außerdem gibt es weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich der Batterien: Sie beinhalten aktuell noch hochgiftige Schwermetalle, was in Sachen Nachhaltigkeit ein echtes Manko darstellt. Es ist noch ein weiter Schritt, bis beispielsweise die entsprechende Forschung der Uni Freiburg auf die allgemeine E-Mobilität angewendet werden kann. Prof. Birgit Esser und Prof. Martin Winter vom Batterieforschungszentrum MEET in Münster legten kürzlich den Grundstein für eine potenziell bahnbrechende Innovation: Elektroden aus organischen Materialien statt Schwermetallen.
In Stuttgart setzt Porsche indes weiter auf das Konzept des Hybridantriebs, was nichts anderes deutet, als dass das Auto insgesamt schwerer wird – und damit der Verbrauch ansteigt. Was direkt die Frage aufwirft, wie man die Verbrauchsangaben des Herstellers einschätzen soll – denn während der E-Anteil des Hybridmotors arbeitet, sinkt der Verbrennungsverbrauch auf null und damit den Durchschnitt auf rein rechnerisch fantastische Werte. Eigentlich eine Verbrauchertäuschung. E-Roller haben diese Art der Täuschung nicht nötig. Sie erleben in den USA derzeit einen regelrechten Boom und werden als Retter der individuellen, urbanen Mobilität gefeiert – zunehmend auch in Deutschland. Doch jeder Superheld muss eine Achillesferse haben: Es ist noch nicht allzu lange her, da überschwemmten gelbe O-Bikes die großen deutschen Städte. Das Konzept hatte drei massive Probleme: dass die Bikes mit der extrem schlechten Qualität ebenso extrem zahlreich waren – und keine feste Stellstationen existierten.
„E-Mobilität“ bezieht sich nicht nur auf Automotive – auch E-Roller erleben einen massiven Hype
Letzteres wird den E-Rollern in den Staaten ebenfalls zum Verhängnis, die sich auf gängige Art und Weise per App mieten lassen. Auch sie haben kein Zuhause und sind willkürlich verteilt – wo die Vormieter sie eben abstellen. Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit mit den OBikes: Die Roller erschienen in Städten wie Los Angeles über Nacht auf den Spielflächen. Rechtlich war das kein Problem, denn keine Stadt war auf die Roller-Schwemme vorbereitet. Es gab noch keine Regularien und Guerilla-Aktionen stand nichts im Weg. Nun wächst Widerstand gegen die smarte, weil elektrische Mobilitätsoffensive der E-Roller heran: Es müssen Genehmigungen eingeholt werden und Grundregeln sind einzuhalten. Dazu kommt eine weitere Herausforderung: Mit bis zu 20 bis 25 km/h sind die Tret-E-Roller zu langsam für die Straße – außer bei Stau – und zu schnell für den Gehweg. Optimal wären also Radwege, die vor allem in den US-Infrastrukturen längst nicht überall vorhanden sind.
In Deutschland rüsten sich derzeit vor allem Start-ups, was das Segment „E-Roller“ angeht. Hinsichtlich der Zulassung sind aber noch einige Fragen offen, die die Kleinstelektrofahrzeugverordnung (eKFV) lösen soll, denn die aktuelle Gesetzgebung „gilt (…) weder für selbstbalancierende Fahrzeuge noch für Fahrzeuge ohne Sitz“ (Entwurf des BMVI für die eKFV). Alle Unternehmen, die Modelle entwickelt hatten, unter anderem BMW, mussten selbige also erst einmal in der Garage lassen. Das bereits 2012 gegründete Unternehmen Scuddy behalf sich mit einem einfachen Mittel: drei Rädern (siehe Abb. links). Faktisch gibt es für Zweirad-E-Roller noch keine Straßenzulassung, was die Zuordnung hierzulande direkt klärt: Sie teilen sich die Straßen und Radwege zukünftig zusammen mit Radlern, Kfz, Bussen und Lkws.
Für Hochschulabsolventen bieten sich also insbesondere bei den Organisationen spannende Einstiegsmöglichkeiten, die in Forschung und Entwicklung investieren: etwa bei Batterien, Zwischenspeichern oder auch, wenn es um den sogenannten zweiten Lebenszyklus der Akkus geht – denn was geschieht mit den Kfz, Rollern, Lkws und Co, die „entsorgt“ werden? Außerdem eröffnen sich neue Geschäftsfelder. Berufseinsteiger müssen die Augen und Ohren offenhalten: Für E-Bikes hat sich etwa eine neue Szene aus jungen Start-ups und etablierten Unternehmen entwickelt, die sich dem neuen Geschäftsfeld zugewendet haben. Auch hier müssen sich die Beteiligten in einem Markt einarbeiten, der zeitgleich erst im Entstehen ist, da sich auch Kundenpräferenzen erst ausbilden. Dazu gehört beispielsweise, zuzuhören – 77% der Befragten einer Umfrage des EMBT sprachen sich dafür aus, lieber ein leichtes Bike haben zu wollen als ein besonders leistungsstarkes. Das hat direkte Konsequenzen auf die Entwicklungsabteilungen, also DICH.
Nichts anderes wird bei den E-Rollern passieren – sie benötigen beispielsweise kleinere Akkus als Fahrräder, die vermutlich eine andere Lebenszeit bekommen sollen, anderen gesetzlichen Rahmenfaktoren entsprechen müssen … Es gibt viel zu tun!
Autorin: Bettina Riedel